Michael geht schwimmen: Tag 4

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Zum Start an Bord gibt es heute zunächst mal einen Vortrag über Thermik, deren Auswirkung uns auch heute ein Crossing unmöglich macht. Der in dieser Zeit in der Regel wehende Mistral, ist ein thermischer Wind, der aufrund der unterschiedlichen Aufwärmzeiten von Festland und Meer aus nordwestlicher Richtung nach Südwesten über der Adria entstehen kann. In Ausnahmen wie heute, ist es aber eine Bora, das ist ein starker kälterer Fallwind, der uns zu schaffen macht. Die Böen können bis zu 150 Kilometer pro Stunde erreichen, was aber glücklicherweise eher im Winter der Fall ist.

Bojan führt uns also wiedermal in sichere Gefielde mit relativer Windstille Richtung Festland, fünf Kilometer nordwestlich von Tribunj, nördlich von Vodice. 45 Minuten sind wir mit dem Boot unterwegs. Dann setzt er uns aus und wir kraulen jede Bucht in Küstennähe mitnehmend vier Kilometer Richtung Süden. Es ist eine herrliche Strecke mit glasklarem Blick auf die Unterwasserlandschaft. Größeres oder gar bedrohlich wirkendes Getier haben wir bislang nirgends gesichtet, nur unscheinbare Fischlein in kleinen Schwärmen wuseln manchmal um uns herum. Crossing-Gefühl für enorme Tiefe unter uns kommt auf, als wir die große Bucht von Sovlje an deren weit auseinanderliegenden Ausläufern von Spitze zu Spitze durchqueren.

Lunchbrake machen wir heute in Tribunj, nördlich von Vodice. Ich nutze die Gelegenheit für einen Spaziergang zur Festung, die 184 Meter über dem Städtchen auf einem Hügel thront. Von dort gibt es eine wunderschöne Aussicht über den Archipel – siehe Fotos. Zurück im Ort gönne ich mir noch ein Eis – laut Bojan das Beste, was es in Kroatien zu bekommen gibt.

Der Weg zu unserem Nachmittags-Swim führt uns an Fingerprint Island vorbei. Der Name des lustigen Inselchens (0,14 km2) mit sage und schreibe 22 Kilometern Mauern erschließt sich mit einem Blick von oben: https://tinyurl.com/FingerprintIsland.
Es sieht aus, wie ein Fingerabdruck.

Die Überfahrt zur unbewohnten Insel Zmajan ist bei hohem Wellengang ziemlich ruppig, die Sonne versteckt sich hinter dicken Wolken und es kommt der ein oder andere Wetsuit zum Einsatz. Wir erreichen die windabgewandte Seite der Insel und auf einen Schlag ist alles wieder ruhig. Nach der wackeligen Fahrt sind wir froh, wieder ins Wasser zu können. Und hier eröffnet sich der bislang beste Blick in die Tiefe. Es ist, als flögen wir über Canyons, die zerklüftete Topographie unter uns ist beeindruckend. Ich lege ein paar Achterzüge ein, um möglichst lang den Blick halten zu können. Das bringt mich schnell an die Grenze, Dreier- bzw. Zweierzüge müssen es auch tun ☺.

Neben mir „schwebt“ Sanne, exzellente Schwimmerin aus Neuseeland dahin. Wir bilden ein gutes Team im Wasser, lassen uns nach unseren schnelleren Abschnitten auch immer wieder zurückfallen, um bei der Gruppe zu bleiben. Der Teamspirit ist Teil des Gesamterlebnisses. Überhaupt ist es bemerkenswert, wie hier junge und ältere Teilnehmende, schnelle und langsame, kräftige und dünne, große und kleine Schwimmer gleichermaßen die insgesamt acht Kilometer pro Tag bewältigen. Wir achten auch alle aufeinander und es kommen alle auf ihre Kosten.

Wir schwimmen bis zum Südwestzipfel von Zmajan, wo uns Bojan wieder aufnimmt und zur HomeBase zurückschippert.

Entdeckung des Tages:
Skipper Bojan: Schon sein Jura-Studium finanzierte er sich als Bootsführer, arbeitete als Praktikant in einer Kanzlei. Er rechnete sich aus, dass er bis zum Studienabschluss und als Jurist nicht wesentlich mehr verdienen würde, als wenn er sofort professioneller Skipper würde. Und mehr Freude würde es allemal bringen. Gedacht, getan! So verdient er sein Geld von April bis Oktober mit SwimTrek.

Tipp des Tages
Nicht ausgestiegen, sondern geflohen sind die beiden Schwestern Yusra und Sarah Mardini aus Syrien. Ein Spielfilm zeigt beider Weg in die Freiheit bis hin zu Olympia. Hier geht es zum Trailer, der Film läuft auf Netflix:

https://tinyurl.com/DieSchwimmerinnen

autor: Michael Boldt

*alle Links und deren zugehöriger Website liegen nicht in der Verantwortung zum SV Neptun 1897 Krefeld e.V. und sind eine freiwillige unbezahlte „Werbung“

Michael geht schwimmen: Tag 3


Das Guten-Morgen-Stretching um kurz vor neun ist zur Routine geworden und macht uns vor dem Start locker. Die See ist ein bisschen kabbelig, und unser Skipper sucht deshalb wieder eine Stelle, wo Wind und Wellen uns nicht zu Ping-Pong-Bällen auf dem Wasser werden lassen. Vor Srima, einem Vorort von Vodice, werden wir in 200 Metern Entfernung zur Küste im tiefen Wasser ausgesetzt. Knapp vier Kilometer Richtung Süden die Festlandküste entlang liegen vor uns.

Zum Schutz vor der Sonne hatte ich mir ein Swimsuit zugelegt. Das trägt zwar nicht wie Neopren, gibt aber doch ein bisschen Auftrieb. Das Salzwasser tut sein Übriges und so bewältige ich die Stecke ohne große Mühe, auch wenn das Schwimmen gegen die Wellen und querlaufenden Wind herausfordernd ist.

Jadrija Beach ist unser Ziel. Der Ort Jadrija soll laut Skipper Bojan Namensgeber für die Adria gewesen sein, aber Wikipedia sagt etwas anderes. Es ist wohl nur natürlich, dass jedes angrenzende Land die Namensgebung für diesen schönen Teil des Mittelmeeres bei sich selbst verortet wissen möchte☺. Wir umrunden per Boot eine Felsnase und laufen in die Bucht von Strika ein, um dort unsere Mittagspause zu verbringen.

Nach dem Lunch skippert uns Bojan zum St. Nicola’s Fortress und erzählt uns dessen beeindruckende Geschichte. 2017 wurde die Festung des Heiligen Nikolaus auf die Liste des UNESCO-Welt-Architekturerbes gesetzt. Es ist ein einzigartiges Denkmal des venezianischen Verteidigungssystems des 16. und 17. Jahrhunderts. Immer wieder überrascht uns der Skipper mit seinem umfassenden Wissen über sein Land, seine Leute und vor allem über das Meer und das Wetter.

Auch am Nachmittag bleibt die See unruhig und der Wind unbeständig. An ein Crossing von Insel zu Insel ist leider noch immer nicht zu denken. Bojan beruhigt uns: Die nächsten Tage sollen besser werden. Die Risiken bei der aktuellen Wetterlage sind die stärkere Strömung und die Wellen, gegen die es anzuschwimmen gilt. Das ist selbst für geübte Ozean-Schwimmer herausfordernd.

Wir schippern zurück an die Nordspitze von Zlarin und schwimmen südostwärts etwas mehr als vier Kilometer die Küste entlang bis zur Südspitze der Insel. Von dort geht’s per Boot zurück zur HomeBase. Wir sind gespannt auf die Videoanalyse, die unsere Guide Orla mit jedem einzelnen von uns heute durchgehen wird. Den Abend verbringen wir dann mit einem gemeinsamen Abendessen, bei dem wir immer wieder auf ein Lieblingsthema zurückkommen: Wo auf der Welt kann man noch besonders gut Freiwasserschwimmen…… Beispielsweise in Neuseeland bei Auckland, beim 20km Solo Swim Marathon um Rangitoto Island.
https://swimscape.co.nz/products/swim-around-rangitoto-island-expression-of-interest

Eine Einladung zum privaten B&B sprachen Sanne und Ellie aus Auckland gleich dazu aus 😉

Entdeckung des Tages:
Ich sehe zum ersten Mal per Video, wie ich beim Kraulen im Wasser liege, wie meine Bein-Arm-Koordination aussieht, und ich lerne, dass meine Armtechnik auf einen älteren Jahrgang 😉 schließen lässt. Heute lehrt man offenbar, die Arme neben dem Körper gerade an der Hüfte vorbeizuziehen. Dafür finde ich im www allerdings keine Bestätigung.
Falls die Schwimmprofis des SVN das lesen sollten, schreibt mich dazu gerne an michaelboldt@arcor.de

Tipp des Tages:
Bei meiner Suche nach Antworten fand ich diese Videos hier. Vielleicht ist ja was Brauchbares für euch dabei, auch wenn die eigentliche Frage unbeantwortet bleibt ☺

Pushing Limits mit Johann Ackermann:
https://www.youtube.com/watch?v=Bmla3kCSV3Q

Docswim
https://www.youtube.com/watch?v=VZoJg8gY7Ac

 

autor: Michael Boldt

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Michael geht schwimmen: Tag 2

Wir starten heute mit einem Guten-Morgen-Stretching an der Kaimauer. Orla macht’s vor, wir machen’s nach. Dann geht es wieder hochmotiviert an Bord. Die Wettervorhersage für heute ist durchwachsen, Gewitter und Regen stehen an. Ein Crossing von Insel zu Insel ist damit heute nicht drin. Der Skipper Borjan sucht eine ruhige Stelle in unserem Archipel für den heutigen Swim.

Er bringt uns in einer halben Stunde per Boot an die Südostküste von Zlarin. Die Insel südlich von Prvic ist bekannt für die größte Hafenmohle Kroatiens. Und für die Korallenfischerei, die bis Ende des 19. Jahrhunderts an der Adriaküste des Landes ein bedeutender Wirstschaftszweig war. Besonders die roten Korallen waren für Schmuck und andere dekorative Zwecke begehrt. Heute sind die Korallen glücklicherweise geschützt, aber man findet sie hier auch nur noch in über einhundert Meter Tiefe.

Die schlechte Wettervorhersage bewahrheitet sich nach nur gut einem Kilometer im Wasser. Eine schwarze Wand schiebt sich bedrohlich auf uns zu. Wir müssen raus, zurück ins sichere Boot. Glücklicherweise bleibt es bei „nur“ sturzflutartigem Regen, ein Sturm mit hohem Wellengang bleibt uns erspart. Im abklingenden Regen nutzen wir die Zeit für einen Landgang (s. Entdeckung des Tages) und ein frühes Mittagessen an der Anlegestelle.

Gegen 13:30h sind wir mit dem Regen durch und das Wetter präsentiert sich mit uns zusammen in bester Laune. Wir schwimmen entlang der Südwestküste der Insel mit Blick in die Tiefen des Ozeans. Hier ist die Küste steil und fällt fast senkrecht ins Meer ab. Es schwimmt sich gut, das Wasser ist ruhig, ohne viel Wellen, ich ziehe…ja was, keine Bahnen… einfach nur immer und immer geradeaus. Es ist ein Meeresspaziergang mit der (Ein)Sicht für die Schönheit des Ozeans.

Wir kompensieren die fehlenden Kilometer des Vormittags mit einem langen fünf Kilometer Swim. Als Zwischenmahlzeit gibt es Gummibärchenfütterung vom Boot aus. Nach den fünf Kilometern sind wir dann gebührend ausgepowert und schippern Richtung HomeBase – streckenweise begleitet von einem Delphin. Ein zweiter wunderschöner und erlebnisreicher Tag geht zu Ende.

Entdeckung des Tages
Beim Landgang auf Zlarin besichtige ich auf Empfehlung von Skipper Bojan das dortige Korallenmuseum. Wie später auch der Blick beim Schwimmen in die Unterwasserwelt der Gegend wird mir hier wieder einmal bewusst, wie anders und wichtig dieses Geschenk der Natur für uns ist. Unvorstellbar, dass das Ernten dieser aussterbenden Art einmal Lebensunterhalt für die gesamte Bevölkerung der Region gewesen ist.

Tipp des Tages
Passend zur heutigen Entdeckung möchte ich euch die Ausstellung „Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen ans Herz legen. Ein Ausflug, der sich wirklich lohnt. Es geht um die Faszination des Ozeans, seine Bewohner und seine Bedrohung.

https://www.gasometer.de/de/ausstellungen/planet-ozean

autor: Michael Boldt

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